Stellungnahme zur vorläufigen Einschätzung des Verwaltungsgerichts Berlin
(Berlin, 27. Dezember 2023) – In einer Entscheidung im Eilverfahren am 21.12.2023 hat das Verwaltungsgericht Berlin seine vorläufige Einschätzung, und nicht als endgültige Feststellung, abgegeben. Diese Entscheidung im Eiltempo hat weitreichende Implikationen für die Berliner Kulturszene und wirft drängende Fragen bezüglich der zukünftigen Kulturförderung und des Umgangs mit gemeinnützigen Kultureinrichtungen auf.
Rechtsanwältin Myrsini Laaser kommentiert: “Es ist bemerkenswert, dass der Richter eingestanden hat, dass viele Aspekte auch für eine Zusicherung der Förderung sprechen. Vieles spricht also für eine verbindliche Aussage, anderes jedoch für weniger verbindlich und der Richter hat sich dann für das unverbindliche entschieden.”
Besonders überraschend an der Entscheidung des Gerichts ist die Festlegung des Verfahrenswertes, der in auffälligem Kontrast zu den zugesagten Förderungen für die Jahre 2024 und 2025 steht, deren Summen erheblich höher liegen. Die vorläufige Einschätzung im Eilverfahren und die damit verbundene geringe Bewertung des Verfahrenswertes wirft Fragen auf bezüglich der Wertschätzung der kulturellen Arbeit und der finanziellen Notwendigkeit, die durch die Förderzusagen anerkannt wurden. In Reaktion darauf hat Oyoun am 21. Dezember 2023 eine Beschwerde gegen diese Entscheidung beim Oberverwaltungsgericht eingereicht. Es ist entscheidend zu betonen, dass die Entscheidung im Eilverfahren keine finale oder rechtskräftige Feststellung ist, sondern lediglich eine vorläufige Beurteilung. Dies unterstreicht die anhaltende Unsicherheit und die dringenden Herausforderungen, mit denen die Kulturszene konfrontiert ist.
Das Oyoun erhielt erst nach mehrfachen Anfragen am 22.12.2023 die schriftliche Absage vom Kultursenat bezüglich der Förderung für 2024, ohne jegliche Begründung außer einer angekündigten Neuausschreibung des Hauses. Diese Vorgehensweise und ihre mysteriösen Hintergründe werden kritisch gesehen, wie auch Kommentare des rbb vom 21.12. verdeutlichen: ‘Anfang November äußerte sich Kultursenator Joe Chialo (CDU) zu den Vorfällen und betonte, die Förderung Oyouns grundsätzlich überprüfen zu wollen. “Es ist meine Absicht, hier schnell zu einem Ergebnis zu kommen und zu handeln”, teilte er mit. Später widersprach die Senatsverwaltung für Kultur dieser Darstellung: “Die Förderung des Oyoun läuft zum Jahresende regulär aus. Die Aussage des Oyoun, dass dies aufgrund einer Veranstaltung der ‘Jüdischen Stimme’ passiert, ist nicht zutreffend”, hieß es in einer Antwort auf eine Anfrage von rbb|24.’
Dieser offensichtliche Widerspruch in den Aussagen des Kultursenators und der Senatsverwaltung wirft bedenkliche Fragen bezüglich der Transparenz und Konsistenz in der Entscheidungsfindung auf.
Die unerwartet späte und begründungslose Absage der Förderung durch den Kultursenat hat das Team des Oyoun in eine tiefe Unsicherheit gestürzt. Diese Situation zwingt zur dringenden Revision oder Streichung von Projekten und Budgets und bedroht die notwendige Stabilität für kulturelle Arbeit. Hinzu kommt, dass durch den abrupten Förderstopp und weitere Faktoren wie die laufende Klage, prekären Aufenthaltsstatus und allgemeine Unsicherheiten, sämtliche Mitarbeiter*innen, Honorarkräfte, Fellows, Auszubildende, FSJler*innen und Praktikant*innen akut von Arbeitslosigkeit bedroht sind, möglicherweise sogar mit einer Sperrfrist bei der Arbeitsagentur konfrontiert werden könnten. Zusätzlich zu diesen Belastungen wurden wir erst heute, am 27. Dezember 2023, von der BIM und SenKGZ aufgefordert, das Haus bis Samstag, den 31. Dezember 2023, zu räumen. Diese unerwartete Aufforderung zur Räumung verschärft die unsichere Lage und stellt die Zukunft des Oyoun und seiner Beschäftigten weiter in Frage.
Das aktuelle Vorgehen des Senats zeugt von einer besorgniserregenden und erschreckenden Unberechenbarkeit und lässt Fragen zur Entscheidungsfindung und Einhaltung eigener Grundsätze aufkommen. Zu den wichtigsten Förderungsgrundsätzen der Berliner Senatsverwaltung für Kultur zählen vorgeblich: Kunstfreiheit, Staatsferne, Transparenz.**
In einer Stadt, in der die Kultur- und Kreativwirtschaft so enorm wichtig ist, und nun von unvermittelten, schwer nachvollziehbaren und existenzbedrohenden Entscheidungen betroffen ist, stellt sich die Frage: Wer könnte als Nächstes von Willkür betroffen sein? Das Oyoun hofft weiterhin auf klärende Gespräche, die zu einer verständlichen und gerechten Lösung führen.
* rbb24 vom 21.12.2023: Neuköllner Kulturzentrum Oyoun scheitert mit Klage auf Fördermittel (Link)
** Fördergrundsätze der Berliner Senatsverwaltung (Link)